Die melanopische Wirkung des Lichts ist tief in der Entwicklung des Menschen verankert. In der frühen Entwicklungsgeschichte wurde das gesamte Leben des zu diesem Zeitpunkt noch nicht sesshaften Menschen vom verfügbaren Tageslicht bestimmt. Dieses Licht bestimmte maßgeblich Schlaf- und Wachphasen, Zeiten der Nahrungsbeschaffung und Zeiten des Rückzuges. Schon der frühe Mensch nahm einen großen Teil seiner Umweltinformation über das Auge auf. Daraus ergab sich zu Tagzeiten ein Vorteil gegenüber anderen Tierarten, während nachts im Dunklen fast unsichtbare Gefahren lauern konnten.
Melanopische Wirksamkeit des Lichtes
Erst mit der Beherrschung des Feuers konnte der Mensch auch bei Dunkelheit behagliche Orte schaffen, die für Wärme und Schutz sorgten. Erste Lampen und Feuerstellen entwickelten sich stetig weiter. Während vor Allem im 19. Jahrhundert verwendete Öllampen eher in Herrschaftshäusern genutzt wurden, entwickelten sich aus dem sich stärker verbreitenden Gaslicht zunächst erste großflächige Straßenbeleuchtungen in den Metropolen. Erst die Erfindung des elektrischen Lichts machte die Beleuchtung zuhause einer breiteren Masse zugänglich. Durch die neue günstige Lichtquelle konnte der Tag künstlich verlängert werden, bis hin zur vollständigen Erhellung der nächtlichen Dunkelheit. Vor allem im Zuge der Industrialisierung konnten so Arbeitsprozesse vom natürlichen Tageslicht entkoppelt werden, Fabriken konnten rund um die Uhr arbeiten. Die dadurch mögliche zeitliche Selbstbestimmung spiegelte sich auch in der Gesellschaft wieder, die - insbesondere in den Städten - nicht mehr nach dem von der Natur vorgegebenen Rhythmus lebte, sondern ihren eigenen Tageszyklus bestimmte.
Diese rasanten gesellschaftlichen und technischen Veränderungen fanden im Wesentlichen innerhalb eines einzigen Jahrhunderts statt - im Maßstab der Evolution ein zu kurzer Zeitraum, um den menschlichen Körper an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Die über die Jahrtausende entwickelte Verbundenheit mit dem Tageslicht und dem damit vorgegebenen Rhythmus war und ist immer noch ein bestimmender Faktor im Leben des Menschen.
Dass Tageslicht einen positiven Einfluss auf den Menschen hat, war schon Anfang des 20. Jahrhunderts bekannt und wurde beispielsweise bei der Architektur von Sanatorien und in der Therapie mit Höhensonne angewendet.
Etwa seit Mitte des 20. Jahrhunderts wird dieser Einfluss gezielt wissenschaftlich untersucht. Die bekanntesten Wissenschaftler sind hier vermutlich Colin Pittendrigh, der „Vater der biologischen Uhr“ und Jürgen Aschoff, die gemeinhin als Mitbegründer der Chronobiologie gelten. Erste Beobachtungen an Pflanzen, Insekten und Nagetieren führten schließlich auch zum Nachweis circadianer Rhythmen beim Menschen.
Da parallel auch gute Erfolge mit der Lichttherapie von Winterdepression (Seasonal affective disorder, SAD) und anderen Mangelerscheinungen erzielt wurden, entwickelte sich ein interdisziplinäres Forschungsfeld in dem Verhaltensforscher, Biologen und Mediziner die Wirkung von Licht auf den Menschen untersuchten. Im Jahr 1991 wurde ein zusätzlicher, nicht am eigentlichen Sehvorgang beteiligter Photorezeptor von Russel G. Foster und Kollegen in Mäuseaugen nachgewiesen, der eine wesentliche Rolle für den circadianen Rhythmus, also den 24-Stunden- Rhythmus der biologischen inneren Uhr spielt.
Im Jahr 2001 konnten solche lichtempfindlichen Ganglienzellen auch auf der menschlichen Netzhaut entdeckt werden und so die Wirkungsweise von Licht auf den menschlichen Tag-Nacht-Rhythmus weiter erklärt werden. Die Forschung in diesem Bereich wurde in der Folge intensiviert, 2007 konnte Melanopsin als Wirkstoff in den Ganglienzellen bestimmt werden. Die Wirkung von Licht auf den circadianen Rhythmus des Menschen wird seitdem mithilfe eines Wirkungsspektrums beschrieben (siehe Abbildung), welches in Abhängigkeit der Wellenlänge des Lichts unterschiedliche starken Einfluss auf die innere Uhr hat. Aber auch die Richtung und räumliche Verteilung des Lichts spielt dabei eine Rolle. Weitreichende interdisziplinäre Forschung auf dem Gebiet führte zu einem heute guten Kenntnisstand über menschliche Bedürfnisse und Gefährdungen, die durch Licht induziert werden können.
Forschungsergebnisse und Praxiserfahrungen im Bereich der Lichtplanung wurden auch in der lichttechnischen Normung abgebildet.
Normung
In DIN SPEC 5031-100:2015-08 „Strahlungsphysik im optischen Bereich und Lichttechnik - Teil 100: Über das Auge vermittelte, nichtvisuelle Wirkung des Lichts auf den Menschen - Größen, Formelzeichen und Wirkungsspektren“ werden zunächst Begrifflichkeiten, die für die Betrachtung nichtvisueller Lichtwirkung auf den Menschen wichtig sind, beschrieben. Dabei werden die melanopische Lichtwirkung und ein entsprechender Wirkungsfaktor amel;v definiert. Letzterer ist ein Maß für den Einfluss einer Lichtquelle auf den circadianen Rhythmus und setzt sich zusammen als Quotient aus dem mit einem biologischen Wirkungsspektrum Smel bewerteten Spektralfunktion der Lichtquelle und derselben spektralen Verteilung bewertet mit der menschlichen Spektralempfindlichkeitskurve V(λ) (siehe Abbildung). So ist z.B. für eine typische, warmweiße LED mit einer Farbtemperatur von 3.035 K ein melanopischer Wirkungsfaktor von 0,341 ermittelt worden. Für eine tageslichtweiße LED mit 6.535 K betrug der ermittelte Wirkungsfaktor 0,807. Diese Werte sind in der oben genannten Norm dokumentiert (vgl. Beispiel der Abbildung).
Mit zunehmendem Alter verringert sich der wellenlängenabhängige Transmissionsgrad der verschiedenen optischen Medien im Auge. Faktoren für diese altersabhängige Trübung der Augenmedien kmel,trans sind für verschiedene Wellenlängen des Lichts ebenfalls in DIN SPEC 5031-100 enthalten. Tabelle zeigt diese Faktoren exemplarisch für 25-jährige und 75-jährige Nutzer für eine warmweiße und eine tageslichtweiße LED.
Des Weiteren werden Anpassungsfaktoren kPupille für die altersabhängige Verkleinerung der Pupille gegeben. Diese betragen z.B. kPupille = 1 für Personen im Alter von 32 und kPupille = 0,519 für 75-jährige.
Der Lichtbedarf älterer Menschen steigt also nicht nur für das Sehen (siehe Abbildung), sondern auch für die Funktion der circadianen Synchronisation.
Eine weitere, für die nichtvisuelle Lichtwirkung relevante Norm, die DIN SPEC 67600:2013-04 „Biologisch wirksame Beleuchtung - Planungsempfehlungen“, enthält Planungsempfehlungen für Arbeits- und Nichtarbeitsstätten als Ergänzung zu anderen planungsrelevanten Normen wie der DIN EN 12464-1 oder der ASR A3.4. Dabei sind erstmalig nicht-visuelle Gütemerkmale der Beleuchtung enthalten, die über die Größen Beleuchtungsstärke, Spektrum, Lichtverteilung und zeitlicher Verlauf der Beleuchtung definiert werden. Eine große Rolle spielt dabei die Lichtverteilung, da melanopische Wirkung nur zu erzielen ist, wenn das Licht vornehmlich flächig, diffus aus dem oberen Halbraum unser Auge erreicht (siehe Abbildung). Auch hier wird der ursächliche Zusammenhang zum natürlichen Vorkommen des wirksamen Lichts, dem Taghimmel, erkennbar. In der Norm werden sowohl Tageslicht als auch Kunstlicht und Mischungen aus beiden betrachtet. So wird beispielsweise die Relevanz für die Planung melanopisch wirksamen Lichts für verschiedene Nutzungsarten beschrieben sowie grobe Maßnahmen zur Berücksichtigung in konkreten Lichtplanungen. Zielgrößen sind hier vor allem die Stabilisierung und Stärkung der inneren Uhr und des damit verbundenen Schlaf-Wach- Rhythmus sowie Förderung von Konzentration, Regeneration, Stimmung und Leistungsbereitschaft durch Beleuchtung. Auch wenn es sich um eine Norm handelt, sind alle beschriebenen Maßnahmen freiwillig. Auch werden keine Verschiebungen des circadianen Rhythmus beabsichtigt sondern lediglich allgemeine Planungshinweise für verschiedene Arbeitsplätze gegeben.