Regelwerke
Licht ist - unter anderem - Voraussetzung für das Sehen. Und das Sehen ist für die überwiegende Menschheit dominierender Teil ihrer Wahrnehmung. Schon deshalb ist die Antwort auf die Frage, was gutes Licht sei, so vielfältig wie die Situationen der individuellen Wahrnehmung und Erfahrung.
Will man die Qualität des Lichtes jedoch in Bezug auf bestimmte Aspekte der Wahrnehmung – z. B. die Erfüllung einer Sehaufgabe – beurteilen, kann man die Kriterien der Bewertung eingrenzen.
Diese können als quantitative und qualitative Qualitätskriterien der Beleuchtung in Regelwerke eingehen, um z. B. Grenzwerte zur Wahrung einer erforderlichen Mindestqualität der Beleuchtung festzulegen.
Solche Regelwerke liegen auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene in Form von technischen Informationsschriften, Normen und Gesetzestexten vor.
Europäische und nationale Normen
Europäische Normen definieren die relevanten Grundbegriffe, Messvorschriften und darauf basierende Qualitätsmerkmale der Beleuchtung.
Wesentliche Bereiche der künstlichen Beleuchtung sind erfasst, wie z. B. durch die Normen
zu grundlegenden Begriffen und Kriterien für die Beleuchtung EN 12665 (Ausgabe von 2018) sowie
zur Messung und Darstellung photometrischer Daten von Lampen und Leuchten EN 13032 (Teile 1 bis 3)
zur Messung und Darstellung von elektrischen, photometrischen und farbmetrischen Größen von LED-Lampen, -Modulen, -Light-Engines und -Leuchten beim Betrieb mit Wechsel- oder Gleichspannung EN 13032-4 (Ausgabe von 2019).
zur Beleuchtung von Arbeitsstätten in Innenräumen EN 12464-1 (überarbeitete Ausgabe von 2021)
zur Beleuchtung von Arbeitsplätzen im Freien EN 12464-2 (überarbeitete Ausgabe von 2014)
zur Sportstättenbeleuchtung EN 12193 (überarbeitete Ausgabe von 2019)
zur Notbeleuchtung EN 1838 (Ausgabe von 2019)
Mindestanforderungen werden für unterschiedlichste Sehaufgaben festgelegt und gelten in Europa einheitlich.
Dennoch werden diese Normen, z. B. die Norm EN 12464-1 „Licht und Beleuchtung – Beleuchtung von Arbeitsstätten in Innenräumen“
in Deutschland unter DIN EN 12464-1
in Österreich unter ÖNORM EN 12464-1
in Großbritannien unter BS EN 12464-1
in Frankreich unter AF EN 12464-1
in der Schweiz unter SN EN 12464-1 und
in den Niederlanden als NEN EN 12464-1
als nationale Norm veröffentlicht.
Wegen der für die CEN-Staaten geltenden Übernahmeverpflichtung ist im Folgenden nur von EN-Normen und nicht von deren nationalen Umsetzungen die Rede (siehe auch Kapitel, „Anhang” im Absatz „Normen”). Weitere nationale Normen können im Einzelfall zusätzlich zu berücksichtigen sein. Sie dürfen geltenden europäischen Normen jedoch in keinem Punkt widersprechen, sondern diese nur ergänzen.
Alle Aussagen über die Beleuchtung von für Sehaufgaben in Arbeitsstätten und Sportstätten beziehen sich in diesem Buch vornehmlich auf die oben genannten europäischen Normen. In den anwendungsspezifischen Kapiteln wird ggf. auf die wichtigsten zusätzlichen Bestimmungen, wie z. B. die DIN 5035-3 im im Bereich des Gesundheitswesens, hingewiesen.
Europäische Norm EN 12464-1
Die Norm EN 12464-1 repräsentiert den aktuellen Stand der Entwicklung im Bereich der Beleuchtung von Arbeitsstätten in Innenräumen. Die hier festgelegten quantitativen und qualitativen Kriterien der Beleuchtungsqualität sind auf das Bedürfnis der Menschen
nach Sehkomfort, der das Wohlbefinden und die Leistungsbereitschaft fördert,
nach Sehleistung, die auch unter schweren Bedingungen die Ausführung der Sehaufgabe erlaubt und
nach Sicherheit und Unversehrtheit
ausgerichtet.
Die in diesem Zusammenhang wichtigsten Kriterien sind:
Leuchtdichteverteilung
Beleuchtungsstärke
Direkt- und Reflex-Blendung
Lichtrichtung, räumliche Beleuchtung
Lichtfarbe und Farbwiedergabe
Flimmern
Verfügbarkeit von Tageslicht
Variabilität des Lichtes in Niveau und Farbe (siehe Kapitel "Human Centric Lighting").
Die Norm enthält detaillierte Angaben zu den in spezifischen Anwendungen erforderlichen Beleuchtungsanforderungen. Konkrete, in Zahlen ausgedrückte Anforderungen schaffen dabei hohe Planungssicherheit.
Die Einhaltung der Mindestwerte ist Voraussetzung für die Erfüllung der Sehaufgabe. Nur bei Beachtung aller Kriterien kann eine Beleuchtungsanlage den gestellten Anforderungen genügen. Je nach Art und Schwierigkeit der Sehaufgabe bzw. je nach Raumart kann dem einen oder anderen Kriterium eine höhere Priorität zugebilligt werden.
Für die Wartungswerte der Beleuchtungsstärke Em ist in der aktuellen Ausgabe der EN 12464-1 für viele Anwendungen neben einem Mindestwert erstmals auch ein modifizierter Wert angegeben. Dieser um bis zu zwei Stufen der Beleuchtungsstärke erhöhte Wert berücksichtigt sogenannte Kontextmodifikatoren und wird für die Planung und Installation der Beleuchtungsanlage empfohlen. So wird gewährleistet, dass bei Bedarf z. B. den erhöhten Anforderungen veränderter Sehaufgaben oder der verringerten Sehleistung eines Nutzers höheren Alters begegnet werden kann (siehe auch Kapitel „Beleuchtungsstärke“).
In dem Zusammenhang wird eine Anpassung der Beleuchtung empfohlen bzw. ein Lichtmanagement, mit dem das erhöhte Lichtniveau bei Bedarf aufgerufen werden und ansonsten ein Energie sparender Betrieb sichergestellt werden kann.
Im informativen Anhang B gibt die EN 12464-1 allgemeine Hinweise zur Berücksichtigung der nicht-visuellen Wirkungen des Lichtes. Konkretisiert werden diese in der deutschen DIN SPEC 5031-100 und DIN SPEC 67600 (siehe auch Kapitel „Licht und nicht-visuelle Wirkungen“). Die oben genannte Dimmbarkeit der Beleuchtung ist auch in diesem Zusammenhang, oft als „Human Centric Lighting“ bezeichnet, empfehlenswert (siehe auch Kapitel „Human Centric Lighting und Lichtplanung“).
Europäische Harmonisierung
Normung
Nationale Normen abzubauen und eine umfassende europäische Normung aufzubauen ist das Ziel der europäischen Harmonisierung der Normung, die für die Beleuchtung weitgehend umgesetzt ist.
Einheitliche Anforderungen bestehen in Europa z. B. für die Beleuchtung von:
Büros (siehe Kapitel),
Unterrichtsstätten (siehe Kapitel),
industriellen und handwerklichen Arbeitsplätzen (siehe Kapitel),
Krankenhäusern (siehe Kapitel),
Verkehrsbereichen (siehe Kapitel).
Die erste Ausgabe der EN 12464-1 ist im Jahr 2003 erschienen. Bis heute erschienen zwei Aktualisierungen in den Jahren 2011 und 2021 (siehe oben).
Arbeitsschutz
Neben den Normen, die den allgemein anerkannten Stand der Technik repräsentieren, mussten in Europa auch die Richtlinien 89/654/EWG und 92/58/EWG über Mindestvorschriften über den Sicherheits- und Gesundheitsschutz in Arbeitsstätten bzw. am Arbeitsplatz in nationales Recht umgesetzt werden. In Deutschland erfolgte dies durch die Arbeitsstättenverordnung – (ArbStättV vom 24.8.2004, Einzelheiten siehe Kapitel „Licht und Arbeitsschutz”). Ein wesentliches Hilfsmittel für die praktische Umsetzung der ArbStättV sind die Technischen Regeln für Arbeitsstätten ASR (früher als Arbeitsstätten-Richtlinien ASR bezeichnet). Für die Beleuchtung sind im April 2011 die Technischen Regeln für Arbeitsstätten ASR A3.4 „Beleuchtung“ und im Juni 2011 die ASR A3.4/3 „Sicherheitsbeleuchtung, optische Sicherheitsleitsysteme“ erschienen, welche die bis dahin gültigen Arbeitsstätten-Richtlinien ablösten.
Im Verhältnis zu den Beleuchtungsnormen, die sich auf die Erfüllung der Sehaufgabe beziehen, definieren die Technischen Regeln für Arbeitsstätten die Erfordernisse der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes. In vielen Fällen sind die gefundenen Mindestanforderungen identisch, in Einzelfällen unterscheiden sie sich jedoch.
Auf etwaige Abweichungen bzgl. der Festlegungen der Beleuchtungsanforderungen wird im Folgenden hingewiesen. Die sich ergebenden praktischen Anforderungen werden in den anwendungsspezifischen Kapiteln behandelt.
Internationale Norm
Die internationale Norm ISO 8995-1 „Lighting of work places – Part 1: Indoor“ (Ausgabe von 2002) behandelt ebenfalls die Beleuchtung von Arbeitsstätten in Innenräumen. Sie ist von der Internationalen Beleuchtungskommission (CIE) als CIE-Standard S 008/E in englischer Sprache erarbeitet und der International Organisation for Standardisation (ISO) als Entwurf für einen ISO-Standard zur Verfügung gestellt und dort veröffentlicht worden.
Im Vergleich zur europäischen Norm EN 12464-1 enthält sie jedoch weit weniger detaillierte Angaben zu den in spezifischen Anwendungen erforderlichen Qualitätskriterien der Beleuchtung. Konkrete Zahlenwerte für lichttechnische Anforderungen werden nicht gegeben.
Eine internationale Norm zur Berücksichtigung der nicht-visuellen Wirkung des Lichtes (siehe oben) wird derzeit im Normenausschuss ISO/TC 274/CIE erarbeitet.
Es besteht keine Übernahmeverpflichtung der genannten ISO-Normen als nationale Normen.
Weitere Regelwerke
Neben den in europäischen und nationalen Normen und Regelwerken, den EU-Richtlinien bzw. deren national umgesetzten Rechtsvorschriften enthalten auch die Empfehlungen der Lichttechnischen Gesellschaften der Länder (siehe auch Kapitel Anhang) Hinweise für die Planung der Beleuchtung, so z. B.
in Deutschland von der Deutschen Lichttechnischen Gesellschaft e.V. (LiTG)
in Frankreich von der Association Française de l’Eclairage (AFE)
in Großbritannien der Code for Lighting von der Society of Light and Lighting (SLL), einem Teil von The Chartered Institution of Building Services Engineers (CIBSE)
in Österreich von der Lichttechnischen Gesellschaft Österreichs (LTG)
in der Schweiz von der Schweizerischen Lichtgesellschaft (SLG)
in den Niederlanden von der Nederlandse Stichting voor Verlichtingskunde (NSvV) und
in Italien von der Assoziazione Italiana di Illuminazione (AIDI).
1
CEN steht für Comité Européen de Normalisation (europäisches Normenkomitee). CEN-Mitglieder sind gegenwärtig die nationalen Normungsinstitute von Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Serbien, Schweden, der Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien, der Tschechischen Republik, der Türkei, Ungarn, dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und von Zypern.