Beleuchtung von Ausbildungsstätten

Bereich der Sehaufgabe

Lernen ist ein lebenslanger Prozess. In Kindergärten und den allgemeinbildenden Schulen, den Fach- und Hochschulen, der Berufsbildung und in den Abend- und Volkshochschulen der Erwachsenenbildung sind etwa 50 % der deutschen Bevölkerung auf dem Weg der Aus- und Weiterbildung – somit fast 40 Millionen Menschen, mit einer hohen Anzahl und Vielfalt der Ausbildungsstätten. Ihre Ausstattung bestimmt die Effektivität und damit die Qualität des Lernens. Nachhaltige Investitionen in Ausbildungseinrichtungen führen daher langfristig zu hohem Nutzen für den Einzelnen und die Gemeinschaft.

Vorschulischer Unterricht, Lernen, Studieren und Lehren ist anspruchsvolles Arbeiten mit hohen visuellen Ansprüchen. Unterschiedliche Tätigkeiten mit häufigem Blickwechsel zwischen horizontalen Arbeitsflächen und vertikalen Demonstrations- und Informationsflächen, unterschiedliche Arbeitsmittel mit wechselnden Kontrasten und Detailgrößen, unterschiedliche Blickrichtungen bei freier und gerichteter Sitzanordnung und wechselnde, optische Kommunikation zwischen Lernenden und Lehrenden bestimmen die visuelle Sehleistung in Unterrichtsräumen.

Gute Beleuchtung und die innenarchitektonische Gestaltung der Räume fördern die Konzentration, Motivation, den Lernwillen und die Aufmerksamkeit. Schulische Erfolge hängen von der wahrgenommenen Atmosphäre im Unterrichtsraum ab, wozu unterschiedliche Kriterien der Beleuchtung einen entscheidenden Beitrag leisten.

Bereich der Sehaufgabe

Wegen der häufig vorkommenden freien Sitzanordnung kann in den meisten Fällen der gesamte Klassenraum als Bereich der Sehaufgabe angesehen werden, ggf. abzüglich eines Randstreifens von 0,5 m an den Wänden. In anderen Fällen ist der Bereich der Sehaufgabe durch den Bestuhlungsbereich definiert.

In einigen Räumen ist der Bereich der Sehaufgabe jedoch speziell zu ermitteln, wie etwa in Räumen für den Musikunterricht, für die handwerkliche Ausbildungen und für die Lehrmittelsammlungen, in denen sowohl vertikale als auch horizontale Sehaufgaben in unterschiedlichen Bereichen vorliegen und entsprechend zu beleuchten sind. Für die Beleuchtung vertikaler Schrank- und Regalflächen sind hier die entsprechenden Anforderungen in Büros (siehe Kapitel „Beleuchtung von Büros und Räumen mit Bildschirmarbeitsplätzen“) einzuhalten.

Für die Beleuchtung vertikaler Schrank- und Regalflächen sind die entsprechenden Anforderungen in Büros (siehe Kapitel „Beleuchtung von Büros und Räumen mit Bildschirmarbeitsplätzen") einzuhalten.

In Zeichen- und Malsälen und Räumen für technisches Zeichnen befindet sich der Bereich der Sehaufgabe meist auf geneigten Flächen (Staffelei, Zeichenbrett), z. B. auf einer Ebene um 75° zur Horizontalen geneigt.Vergleiche hierzu auch Tabelle und Kapitel „Beleuchtung von CAD-Räumen“.

Für viele Sehaufgaben in Bildungseinrichtungen sind die lichttechnischen Anforderungen in der Tabelle explizit aufgeführt und kommentiert.

Allgemeinbeleuchtung

Für Unterrichtsräume wird meist eine Allgemeinbeleuchtung vorgesehen. Die Unterrichtsform und ihre spezifische Sitzanordnung und Raumnutzung bestimmen Eigenschaften und Anordnung der Leuchten. Die freie Sitzanordnung für die Teamarbeit und die klassische, gerichtete Sitzanordnung mit Blick auf die Wandtafel können in kürzeren Zeitabständen wechseln. Häufig wird die klassische Schultafel durch Whiteboards, Beamerpräsentationsflächen und weitere Informationstafeln und Schaubilder ergänzt oder gar ersetzt. Dadurch ändert sich auch die Blickrichtung der Schüler und Lehrer im Laufe der Unterrichtszeiten. Die Beleuchtung muss davon unabhängig ausgelegt sein. Dazu sind insbesondere drei Kriterien der Beleuchtung im Zusammenhang zu betrachten:

  • Mit der Neuauflage der europäischen Beleuchtungsnorm EN 12464-1 wird für allgemeine Unterrichtsräume eine generelle Mindestbeleuchtungsstärke von 500 lx angegeben, die unter Berücksichtigung von Kontextmodifikatoren ggf. bis auf 1.000 lx anzuheben ist. Als Kontextmodifikatoren können insbesondere die zeitweise Nutzung der Räume für die Erwachsenenbildung oder für Unterricht mit höheren Sehanforderungen betrachtet werden.

  • Außerdem ist ein gutes Modelling (siehe Kapitel „Räumliche Beleuchtung, Lichtrichtung, Modelling") erforderlich, um eine ausreichende zylindrische Beleuchtungsstärke Ez von 150 lx in 1,6 m Höhe für eine gute Kommunikation mit dem Lehrer oder Referenten bereitzustellen.

  • Eine Blendungsbegrenzung von RUGL = 19 ist zu beachten.

Um die Beleuchtungsstärke gemäß dem jeweiligen Bedarf steuern zu können, wird in der Norm ein geeignetes Lichtmanagement empfohlen (siehe Kapitel „Beleuchtungsstärke“).

Um bei hohem Beleuchtungsniveau hohe Blendleuchtdichten zu vermeiden, können Leuchten mit großflächig-homogenem Lichtaustritt bevorzugt verwendet werden. Auch ein indirekter Lichtanteil wirkt sich – bei geeigneten räumlichen Voraussetzungen – positiv auf Blendungsbegrenzung und Modelling aus.

Aber auch ein weiterer Aspekt, über die Sehleistung hinaus, kann mit einer guten Allgemeinbeleuchtung berücksichtigt werden, denn Licht beeinflusst auch die Stimmung, die Emotionen und die mentale Aufmerksamkeit von Menschen.

Schüler halten sich am liebsten draußen bei Tageslicht auf. Mit seinem natürlichen Verlauf gibt es uns den Rhythmus des Tages vor, der Leistungsfähigkeit und Ruhebedarf steuert.

Auch künstliches Licht kann die circadianen Rhythmen (circadianes System) unterstützen und anpassen sowie den physischen und psychischen Zustand des Menschen beeinflussen (Einzelheiten siehe Kapitel „Licht und nicht-visuelle Wirkungen“). Insbesondere in Schulen sind die Korrelation von Licht und Leistungsbereitschaft und die melanopische Wirkung von dynamischem Licht für den Lernerfolg wichtig. Eine dynamisch dem Tageslichtverlauf entsprechend gesteuerte Allgemeinbeleuchtung in Unterrichtsräumen passt bei nicht ausreichender Tageslichtversorgung die Raumbeleuchtung den natürlichen Lichtverhältnissen an. Dies kann mit einem neuen Kriterium der Beleuchtung beschrieben werden: Die Variabilität der Beleuchtung.

In einer durch eine deutsche Universität begleiteten Langzeitstudie wurden Schüler und Lehrer bei einer Beleuchtung für „Aktivieren” (650 lx, 12.000 K), für „Konzentriertes Arbeiten” (1.000 lx, 6.000 K) und „Beruhigen” (300 lx, 2.900 K) mit einer Personengruppe unter Normbedingungen (300 lx und 4.000 K) verglichen. Das Ergebnis über den Nutzen von dynamischer Beleuchtung in Schulen zeigt:

  • Die Lesegeschwindigkeit steigt.

  • Die Fehlerhäufigkeit bei Testaufgaben nimmt ab.

  • Die Bewegungsunruhe der Schüler geht zurück.

Chronobiologen empfehlen dynamische Beleuchtung in Schulen. Am Morgen sollte mit ca. 3.000 K gestartet und die Farbtemperatur bis etwa 11 Uhr auf 6.000 K gesteigert werden. In Abendschulen und z. B. in Seminarräumen von Hochschulen sollten ab etwa 18 Uhr Blauanteile ausgeschaltet sein und nur langwelliges Licht mit etwa 2.700 K den Raum beleuchten.

Um das dynamische Licht zu realisieren, sollten die eingesetzten Leuchten und das Lichtmanagementsystem dafür geeignet sein. Für das Lichtmanagement ist das in der Regel allein eine Frage der Software. Leuchten mit steuerbarer Farbtemperatur sind heute dank der LED-Technik in nahezu allen Bauformen verfügbar (siehe auch Kapitel "Human Centric Lichting" und „Human Centric Lighting und Lichtplanung“). Bei TRILUX werden sie als Active-Leuchten bezeichnet und durch den Zusatz ...Act... in der Leuchtenbezeichnung gekennzeichnet (z. B. LuceoS Act D/H2-L CDP 6500 ETDD 01).

In älteren Beleuchtungsanlagen sind ggf. Leuchten mit Leuchtstofflampen unterschiedlicher Lichtfarbe eingesetzt, deren Anteil am Gesamtlichtstrom durch dimmen verändert wird (siehe Kapitel „Licht und nicht-visuelle Wirkungen“).

Wartungsfaktor

Die Höhe des Neuwertes der Beleuchtungsstärke und damit die Anzahl von Lampen und Leuchten hängen von dem Wartungsfaktor ab, der die Verringerung der Beleuchtungsstärke im Laufe der Betriebszeit der Anlage aufgrund der Alterung der Lampen und der Verschmutzung von Lampen, Leuchten und Raum beschreibt. In Ausbildungseinrichtungen, wie in allgemeinen Unterrichtsräumen und Lehrwerkstätten, muss das tatsächlich zu erwartende Wartungsintervall und die Art der Wartung realistisch eingeschätzt und der Wartungsfaktor entsprechend gewählt werden. Unter den Bedingungen, wie sie in allgemeinbildenden Unterrichtsstätten anzutreffen sind, ist überwiegend der Referenz-Wartungsfaktor von 0,80 anzusetzen. Bei individueller Bestimmung aufgrund objektspezifischer Daten können auch andere Wartungsfaktoren erreicht werden. In diesen Fällen sind die Voraussetzungen für deren Bestimmung zu dokumentieren (siehe Kapitel „Wartungsfaktor").

Bei starker Verstaubung, z. B. in Werkräumen oder extremen Wartungsbedingungen, z. B. in hohen Räumen mit erschwerter Zugänglichkeit zu den Leuchten (z. B. in hohen Hallen von Berufsbildungsstätten) ist von längeren Wartungsintervallen auszugehen. In diesen Fällen kann sogar ein Wartungsfaktor von bis zu 0,5 erforderlich sein, um die zulässigen Mindestwerte der Beleuchtungsstärke (Wartungswerte) nicht zu unterschreiten. Eine Regelung der Beleuchtung auf einen Beleuchtungsstärken-Sollwert verringert den Energieaufwand, ggf. durch die Nutzung des Tageslichtes und zusätzlich durch den Ausgleich der anfänglichen Überbeleuchtung zu Beginn des Wartungsintervalls.

Zusatzbeleuchtung

Eine Zusatzbeleuchtung ist für die Wandtafel und weitere vertikale Demonstrations- und Informationsflächen ebenso erforderlich wie auch für Bereiche der Sehaufgaben in Sonderklassenräumen oder an gesonderten Experimentierplätzen oder im Bereich des Podiums von großen Hörsälen.

Für die Beleuchtung der Wandtafel ist in EN 12464-1 ein Wert von 500 lx festgelegt. Die Bewertungsfläche (Bereich der Sehaufgabe) ist die gesamte Wandtafelfläche, ggf. einschließlich eventuell vorhandener Aufklappteile und des Bereiches an der Wand, in den die Tafel nach oben verschoben werden kann. Für diese Bewertungsfläche gilt auch die Gleichmäßigkeitsforderung von 0,7. Reflexe auf der Wandtafel sind zu vermeiden. Ein Beispiel für die Wandtafelbeleuchtung ist in Abbildung dargestellt. Die Werte gelten bei eingeschalteter Raumbeleuchtung.

Die Zusatzbeleuchtung muss sich der Allgemeinbeleuchtung einzeln zuschalten lassen und sollte sich bei Abwesenheit gemeinsam mit ihr ausschalten.

Abbildung 3.143: Beispiel für eine Wandtafelbeleuchtung in Unterrichtsräumen mit zwei Deckenanbauleuchten 4900 lm
(LED) mit asymmetrischer Optik, Ē = 517 lx, Gleichmäßigkeit 0,7, Wartungsfaktor 0,8 (rechts Isoluxkurven, Werte in lx)