Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts entstanden in den Industrieländern voneinander unabhängig elektrotechnische Sicherheitsbestimmungen. Zu Beginn der Elektrizitätsanwendung bezogen sich die Regelwerke im Wesentlichen auf die Leitungsverlegung für die Beleuchtung.
Normung
In Deutschland wurde 1895 der Vorgänger der Errichtungsvorschrift DIN VDE 0100 „Errichten von Starkstromanlagen mit Nennspannung bis 1 000 V“ veröffentlicht. Später erhielt diese Vorschrift den Titel „Errichten von Niederspannungsanlagen“, der ab 1997 in Anlehnung an die entsprechende Publikation IEC 60364 „Electrical Installations of Buildings“ der International Electrotechnical Commission (IEC) in „Elektrische Anlagen in Gebäuden“ umbenannt wurde. Weil noch Teile der alten Vorschriften DIN VDE 0100 gültig sind, finden sich alle drei Titel in den gültigen Teilen dieser Normenreihe wieder.
Ebenso wurde die Gliederung der Normenreihe DIN VDE 0100 der internationalen Norm IEC 60364 angepasst (Tabelle). In Deutschland ist für die Normung im Bereich der Elektrotechnik die Deutsche Kommission Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik (DKE) im DIN Deutsches Institut für Normung e.V. und der VDE Verband der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik e.V. zuständig.
Seit Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 1957/58 und später der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union 1991/1992 wuchs der handelspolitische Druck, die elektrotechnischen Normen anzupassen (zu harmonisieren).
Auf europäischer Ebene ist damit das Europäische Komitee für Elektrotechnische Normung CENELEC (Comité Europeen de Normalisation Electrotechnique) befasst. Die Arbeitsergebnisse des CENELEC werden entweder als europäische Normen EN (die unverändert in nationale Normen umgesetzt werden müssen) oder als Harmonisierungsdokumente HD (die auf nationaler Ebene nur teilweise und mit eigenen, aber gleichwertigen Ergänzungen übernommen werden) veröffentlicht.
Auf internationaler Ebene erfolgt die elektrotechnische Normung in der Internationalen Elektrotechnischen Kommission (International Electrotechnical Commission IEC). Die Arbeitsergebnisse der IEC werden als internationale Normen veröffentlicht. Aufgrund von Verträgen zwischen CENELEC und IEC wird im Endstadium des IEC-Normungsprozesses eine gemeinsame Abstimmung mit dem Ziel durchgeführt, die IEC-Norm möglichst ohne Änderungen als europäische Norm EN zu veröffentlichen. Dies gelingt für Leuchten weitestgehend. Unvermeidliche Abweichungen gegenüber der IEC-Norm gelten entweder in allen CEN-Staaten (common modifications) oder nur in den Staaten, in denen gesetzliche Anforderungen diese Abweichungen notwendig machen (A-Abweichungen).
In Großbritannien gilt als Errichtungsvorschrift der British Standard BS 7671, die als IEE Wiring Regulations (IEE – Institution of Electrical Engineers) veröffentlicht ist und etwa die gleiche Struktur wie IEC 60364 aufweist. So entspricht Part 4 „Protection for safety“, Chapter 44 „Protection against overvoltage“ von BS 7671 dem Abschnitt DIN VDE 0100-440 (s. Tabelle). Eine Ausnahme ist jedoch zu berücksichtigen: Part 6 und 7 sind vertauscht: Part 6 behandelt „Special Installations or Locations“ (in IEC und DIN VDE ist das Teil 7) und Part 7 behandelt „Inspections and testing“, was in IEC und DIN VDE in Teil 6 geregelt ist.
In Frankreich existiert eine Errichtungsvorschrift Norme Française NF C 15-100 (früher UTE C 15-100), ebenfalls mit einer ähnlichen Struktur wie IEC 60364.
In den Niederlanden ist NEN 1010 „Veiliggheidseisen voor laagspannungsinstallaties“ des Nederlandse Norm Onwerp die entsprechende Errichtungsvorschrift, die ebenfalls nach dem Gliederungsschema der IEC 60364 aufgebaut ist.
Auf europäischer Ebene existiert das Harmonisierungsdokument CENELEC HD 384, welches ebenfalls der Gliederung der IEC 60364 folgt.
Trotz der im Wesentlichen übereinstimmenden Gliederung der Errichtungsvorschriften verschiedener Länder gibt es in Europa und in den überseeischen Industrieländern erhebliche Unterschiede in den Einzelfestlegungen. Der Grund liegt in der Vergangenheit: Seit Ende des 19. Jahrhunderts sind elektrische Anlagen erarbeitet und daraufhin elektrische Anlagen in erheblichem Umfang errichtet worden. Wie die Unfallstatistiken beweisen, sind die Sicherheitsniveaus trotz unterschiedlicher technischer Lösungen kaum unterschiedlich. Unter dem ökonomischen Druck globaler Märkte wird jedoch zielstrebig an einer Harmonisierung der Regelwerke gearbeitet, wobei die Zeitdauer dafür auch von dem Aufwand für die Umstellung auf neue Normen bestimmt wird.
Die nachfolgenden Ausführungen basieren im Wesentlichen auf dem in Deutschland üblichen und durch Vorschriften geforderten Sicherheitsstandard elektrischer Anlagen nach DIN VDE. Soweit möglich, wird auf dazu existierende europäisch bzw. international harmonisierte Normen verwiesen. Weil die Kapitel in den Errichtungsvorschriften vieler Länder aufgrund IEC 60364 übereinstimmende Nummerierungen aufweisen, ist der Querverweis von den hier zitierten DIN VDE-Vorschriften auf entsprechende Vorschriften anderer Länder wesentlich erleichtert. Wenn z.B. an einer Textstelle dieses Buches DIN VDE 0100-701 „Räume mit Badewanne oder Dusche“ zitiert ist, dann entspricht dieses Kapitel der französischen Norm NF C 15-100, Partie 7-701 „Locaux contenant une baignoire ou une douche“. Ob jedoch die Einzelheiten der darin festgelegten Anforderungen übereinstimmen, muss sorgfältig nach dem jeweils gültigen Stand der Normen überprüft werden.