Niederspannungsrichtlinie

Die rechtliche Grundlage für sicherheitsrelevante Anforderungen an elektrische Betriebsmittel ist die Niederspannungsrichtlinie 73/23/EWG „Elektrische Betriebsmittel zur Verwendung innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen“, die durch die Richtlinie 2006/95/EG ersetzt und am 16.1.2007 in Kraft gesetzt wurde. Ziel dieser Richtlinie ist es, Handelshemmnisse im EU-Binnenmarkt dadurch zu vermeiden, in dem einheitliche Anforderungen an Erzeugnisse auch in EG-Richtlinien festgelegt sind. Die Richtlinie enthält daher auch Anforderungen, die die Sicherheit und Gesundheit von Personen, Haustieren und Sachen sowie den Schutz von Funkdiensten und Verteilernetzen für elektrische Energie vor elektromagnetischen Störungen gewährleisten sollen. 1993 wurde diese Richtlinie durch die CE-Kennzeichnungsrichtlinie (93/68/EWG5) geändert. Die geänderte Niederspannungsrichtlinie ist seit dem 1.1.1997 rechtsverbindlich. Unter die Richtlinie fallen alle elektrischen Betriebsmittel innerhalb der Spannungsgrenzen von 50 V bis 1 000 V.

Der Begriff „elektrische Betriebsmittel“ ist zwar in der Richtlinie nicht definiert, wurde jedoch von der Europäischen Kommission in einem Leitfaden zur Niederspannungsrichtlinie vom Februar 2001 in Anlehnung an das „Internationale Elektrotechnische Wörterbuch“ der Internationalen elektrotechnischen Kommission (IEC) erläutert. Danach sind elektrische Betriebsmittel alle Gegenstände und Einrichtungen zum Erzeugen, Fortleiten, Verteilen, Speichern, Umsetzen und Verbrauchen elektrischer Energie. Beispiele sind Generatoren, Kabel, Messinstrumente, Schutzeinrichtungen, Installationsmaterial und Geräte wie Schalter, Steckdosen, Akkumulatoren, Transformatoren, Leuchten, Haushaltsgeräte und Motoren.

In Deutschland wurde die Niederspannungsrichtlinie mit dem Gesetz über technische Arbeitsmittel (Gerätesicherheitsgesetz – GSG) rechtskräftig. Mit Wirkung vom 1.5.2004 ist das bis dahin gültige Gerätesicherheitsgesetz (GSG) in das Produktsicherheitsgesetz (GPSG) eingeflossen. Damit ist auch die Richtlinie 2001/95/EG vom 3.12.2001 über „Allgemeine Produktsicherheit“, der alle elektrischen Betriebsmittel entsprechen müssen, in deutsches Recht umgesetzt worden.

Die Übereinstimmung von Geräten mit den Anforderungen der Niederspannungsrichtlinie und weiteren relevanten EG-Richtlinien (z. B. EMV-Richtlinie oder Maschinenrichtlinie) wird durch die CE-Kennzeichnung sichtbar gemacht (zur Bedeutung des CE-Zeichens siehe Kapitel „Leuchten“).

Um den Herstellern den Nachweis der Übereinstimmung der Geräte mit den Sicherheitszielen der Niederspannungsrichtlinie zu erleichtern und eine Prüfmöglichkeit zu schaffen, werden harmonisierte Normen veröffentlicht, die diese Anforderungen beschreiben (siehe auch Abschnitt Normung). Die Liste der harmonisierten Normen werden im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft veröffentlicht. Die zur Zeit gültige Liste ist in der „Mitteilung der Kommission im Rahmen der Durchführung der Richtlinie des Rates 73/23/EEC“ (2005/C 102/01, s. a. Amtsblatt der Europäischen Union vom 27.4.2005) enthalten und umfasst 113 Seiten.

Wichtige harmonisierte Normen sind:

  • EN 60320-1 (Gerätesteckvorrichtungen)

  • EN 60335-x (Sicherheit elektrischer Geräte für den Hausgebrauch und ähnliche Zwecke)

  • EN 60598-x (Leuchten)

  • EN 60730-2-7 (Automatische elektrische Regelund Steuergeräte)

  • EN 60799 (Geräteanschlussleitungen)

  • EN 60947-1 (Niederspannungsschaltgeräte)

  • EN 61008/9-x (Fehlerstrom-Schutzschalter)

  • EN 61010-x (Sicherheitsanforderungen an elektrische Mess-, Steuer-, Regel- und Laborgeräte)

Grundsätzlich ist für elektrische Betriebsmittel keine Prüfung auf Übereinstimmung mit der Richtlinie durch ein unabhängiges Institut vorgeschrieben. Die Verantwortung liegt ausschließlich beim Hersteller, dem Importeur bzw. dem Inverkehrbringer. Die Konformität eines elektrischen Betriebsmittels mit den Sicherheitszielen der Niederspannungsrichtlinie wird vermutet (juristisch als der Beweis des ersten Anscheins bezeichnet), wenn es nach technischen Normen hergestellt wurde, die in der Richtlinie in folgender Rangfolge genannt werden

– europäische Normen (EN oder HD),
– soweit noch keine harmonisierten Normen ausgearbeitet sind, internationale Regelungen der Internationalen Elektrotechnischen Kommission (IEC) bzw.
– soweit noch keine europäischen bzw. internationalen Normen bestehen, die nationalen Normen im Mitgliedsstaat des Herstellers.

Für den Fall fehlender EN-Normen bzw. HD-Dokumente ist in Deutschland die Einhaltung der Bestimmungen von DIN VDE der maßgebliche Nachweis der Konformität des elektrischen Betriebsmittels mit der Niederspannungsrichtlinie. Diese Konformität wird am deutlichsten durch eine unabhängige Prüfung des Gerätes und dessen Kennzeichnung mit dem VDE- bzw. einem gleichwertigen Prüfzeichen anderer europäischer Prüfinstitute und bei Leuchten und deren Komponenten durch das ENEC-Zeichen zum Ausdruck gebracht. Daher wird im weiteren Teil des Hauptkapitels Elektrotechnik dieses Buches bevorzugt auf die Vorschriften des DIN VDE Bezug genommen und wenn möglich, auch auf einschlägige EN-Normen bzw. HD-Dokumente verwiesen.

Einige Arten elektrischer Betriebsmittel, die in den Geltungsbereich der Niederspannungsrichtlinie fallen, sind dazu bestimmt, dauerhaft in Bauwerke eingebaut zu werden, z. B. elektrische Anlageninstallationen (nicht jedoch Leuchten). Folglich müssen solche Produkte auch im Sinne der Bauproduktenrichtlinie 89/106/EWG vom 21.12.1988 (geändert durch die Richtlinie 93/68/EWG) gebrauchstauglich sein und deren wesentliche Anforderungen erfüllen.